Die Siedlung Meienegg
Schweizweit bedeutender Zeuge des sozialen Wohnungsbaus
Die Meienegg, ab 1949 vom jungen Architektenehepaar Hans (1915–2003) und Gret (1917–2002) Reinhard errichtet, fand bereits zur Bauzeit schweizweit Beachtung. Hundertfach adaptierten Wohnbaugenossenschaften und private Bauherrschaften während der 1950er Jahre landauf, landab das Prinzip der Meienegg und betteten grössere Gebäude mit drei, vier, fünf Stockwerken unter Satteldächern in einen für alle Bewohnenden nutzbaren Landschaftspark ein – die typische Schweizer Architektur der frühen Nachkriegszeit entstand. Das Bundesamt für Kulturweist der Meienegg im ISOS, dem Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz, nationale Bedeutung zu. Die EKD, die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege, empfahl in ihrem Gutachten 2015, die Siedlung im Berner Bauinventar von der Kategorie «erhaltenswert» zur Kategorie «schützenswert» aufzustufen. Leider nutzte die städtische Denkmalpflege diese Gelegenheit nicht und beliess die Siedlung aus politischen Gründen in der Kategorie «erhaltenswert».
Pioniersiedlung im Stadtteil VI
Aus architekturgeschichtlicher Sicht markiert die Meienegg den Endpunkt der während der Zwischenkriegszeit typischen Reiheneinfamilienhausbebauung mit Selbstversorgergärten, wie z. B. im Bethlehemacker I. Mit ihren autofreien, gemeinschaftlichen Freiräumen und ihrem schon zur Bauzeit überdurchschnittlich grossen Wohnungsmix gilt sie als Prototyp für die vielen, während der 1960er und 1970er Jahre entstandenen Grossüberbauungen wie beispielsweise das Tscharnergut oder der Gäbelbach. Als Vorläufer und Pioniersiedlung ist sie ein unverzichtbarer Bestandteil der schweizweit bedeutenden Architekturlandschaft «Siedlungen der Nachkriegszeit in Bümpliz-Bethlehem», zu der 2018 ein Schweizerischer Kunstführer erschienen ist. Es ist nicht zu hoch gegriffen, den Bau der Meienegg als wegweisend für die weitere Entwicklung von Bümpliz-Bethlehem hin zum grössten sozialen Wohnbauprojekt der 1960er Jahre in der Schweiz zu bezeichnen.
Hoher Wohnkomfort für sozial Schwächere – auch heute noch
Mit ihrem grossen Wohnungsmix an Ein- bis Vierzimmerwohnungen und den damals innovativen, transparenten Wohnungsgrundrissen verkörpert die Meienegg mustergültig das noch heute gültige Ziel der FAMBAU-Genossenschaft, nämlich «möglichst vielen, auch kinderreichen Familien angenehmen und gesunden Wohnraum mit modernem Komfort zu möglichst günstigen Mietzinsen zu bieten». Zwei Häuser der Meienegg beherbergten zudem die allererste Alterssiedlung in der Stadt Bern, was ihre sozialgeschichtliche Bedeutung zusätzlich unterstreicht.